Wie viele Menschen im Rollstuhl gibt es in Deutschland?
Falls Sie gerade in einem Rollstuhl sitzen, vielleicht zum ersten Mal in Ihrem Leben: Sie sind nicht allein! Allein in Deutschland leben über 1,6 Millionen Rollstuhlfahrer, die dauerhaft auf einen Rolli angewiesen sind. Barrierefreiheit und Inklusion sollten wichtige Bestandteile jeder modernen Stadt sein, aber es gibt noch viel zutun, ehe jeder Rollstuhlfahrer gleichberechtigt gegenüber den anderen Verkehrsteilnehmern gesehen wird. Wer nur temporär, vielleicht nach einem Unfall, auf einen Rollstuhl angewiesen ist, kann es besser verstehen und nachvollziehen, welchen Schwierigkeiten jeder Benutzer eines Rollis täglich begegnet. Das fängt mit hohen Bordsteinkanten an und endet bei Türen, die man nur über Treppenstufen erreicht. Bereits in den 80er Jahren wurden bundesweit massenhaft Daten erfasst, in welchem Zustand die Städte aus der Sicht von Rollstuhlfahrern sind, wenn es darum geht, wie sie sicher und einfach Wege zurücklegen können. Mit dem Aufkommen der Smartphones wurde die Übermittlung von Daten noch einfacher, Kartenwerk musste nicht mehr erstellt werden, selbst Google fragt nach rollstuhlfreundlichen Zuwegen und dem Vorhandensein von behindertengerechten Toiletten. Leider sind Rollstuhlfahrer nicht die einzigen Verkehrsteilnehmer, die zurückstecken und für ihre Rechte kämpfen müssen. Mitunter ist es ein Krieg jeder gegen jeden, es gewinnt der mit der größten Lobby. Radler gegen Autofahrer, Fußgänger gegen Rollstuhlfahrer, Kinderwagenfahrer gegen Skateborder und Rollis mittendrin.
aktiv/adaptiv | Leichtgewicht | Standard | Multifunktion | Elektro | |
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Gewicht | 10 – 15 kg | 13 – 18 kg | 18 – 30 kg | 25 – 40 kg | 40- 100 kg |
Nutzung | dauerhaft bei Lähmungen oder Behinderungen | temporär dauerhaft für Schlaganfallpatienten | temporär bei eingeschränkter Mobilität oder für den Krankentransport | dauerhaft bei schweren Behinderungen oder Pflegepatienten | temporär bei geringer Körperkraft oder eingeschränkter Beweglichkeit |
Einstellmöglichkeiten | vielseitig Maße und Ausstattung individuell anpassbar | gering Sitzhöhe, Fußstützen | gering Sitzhöhe, Fußstützen | vielseitig Maße und Ausstattung individuell anpassbar | vielseitig Maße, Ausstattung und Fahreigenschaften individuell anpassbar |
Antrieb | Eigenantrieb | Schieberollstuhl Trippelrollstuhl Eigenantrieb | Schieberollstuhl Eigenantrieb | Schieberollstuhl | Elektromotor Handsteuerung |
Mobilität | sehr aktiv | gering aktiv | gering aktiv | nicht aktiv | individuell |
Wie rollstuhlgerecht ist Deutschland?
In Deutschland ist jeder 50. auf einen Rollstuhl angewiesen, die 1,6 Millionen Rollstuhlfahrer machen gerade mal 2% der Bevölkerung aus. Über abgesenkte Bordsteinkanten und längere Grün-Zeiten bei Ampeln freuen sich aber auch die 4,8 Millionen Menschen in Deutschland, die einen Rollator nutzen. Und die Zahl wird steigen. Das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt in Deutschland, die Boomer gehen in Rente, Rollatoren kommen immer mehr zum Einsatz, schon weil die Menschen mobil bleiben wollen.
Welcher Rollstuhl wofür?
Warum man auf einen Rollstuhl angewiesen ist, kann verschiedenste Gründe haben. Jede Versorgung ist individuell. Über 500 Rollstuhlmodelle gibt es in Deutschland auf dem Markt, schwer da durchzusehen. Bei der Auswahl eines geeigneten Rollstuhls ist neben den Anforderungen der nutzenden Person auch der Einsatzort wichtig. Soll er nur zu Hause genutzt werden, wollen sie damit zur Arbeit, ins Auto, auf Reisen? Ergänzend muss sich auch um ein geeignetes Sitzkissen gekümmert werden. Es gibt grob gesagt manuelle und Elektro-Rollstühle.
Manuelle Rollstühle
Manuelle Rollstühle werden über Greifreifen angetrieben und erfordern die Muskelkraft des Nutzers. Somit unterstützen sie die Aktivität der Arme und des Oberkörpers durch Bewegung, können aber zu Überlastung und Folgebeschwerden führen. Manuelle Rollstühle haben kleinere Abmessungen, einen kleineren Wendekreis und sind natürlich leichter als ihre elektrischen Brüder.
Menschen, die dauerhaft einen Greifreifenrollstuhl nutzen und sich im Alltag aktiv damit fortbewegen, wählen meistens einen Adaptivrollstuhl (auch: Aktivrollstuhl). Dieser Rollstuhltyp lässt sich optimal an die Anforderungen der Nutzerin oder des Nutzers anpassen und ist deutlich leichter als zum Beispiel ein Standardrollstuhl. Adaptivrollstühle lassen sich folglich mit geringerem Kraftaufwand bewegen und besser verladen und transportieren.
Es gibt starre und faltbare Adaptivrollstühle, beide haben Vor- und Nachteile und die Entscheidung erfolgt nach individuellen Bedürfnissen und Vorlieben.
- Starrrahmenrollstühle sind stabiler und leichter
- Faltrollstühle haben durch das Zusammenfalten ein geringes Packmaß für den Transport
Elektrorollstühle
Mit Elektrorollstühlen ist es möglich, weitere Strecken und größere Steigungen zurückzulegen. Sie unterstützen bei fehlender Muskelkraft oder bei Lähmungen und erweitern den Aktionsradius des Nutzers. Elektrorollstühle werden über einen integrierten Elektromotor angetrieben und haben eine Batterie. Es gibt sie mit Hinter- oder Vorderradantrieb, unterschiedlichen Lenkarten sowie in Versionen mit Geschwindigkeiten von 6 km/h bis 15 km/h. Die Batterien, das ist wichtig, müssen regelmäßig aufgeladen werden.
Elektrorollstühle werden über individuelle Steuerungen bedient, die bekannteste ist sicherlich die Joystick-Bedienung. Es gibt aber auch viele Spezialsteuerungen wie beispielsweise Fuß-, Mund-, Kinn- oder Kopfsteuerung oder die Bedienung per Touchpad. Viele Elektrorollstühle haben außerdem eine Sitzlift-Funktion, über die der Sitz nach oben gefahren werden kann.
Die größeren Abmessungen und der folglich größere Wendekreis von Elektrorollstühlen erfordern mehr Platz zum Manövrieren. Elektrorollstühle haben außerdem ein hohes Eigengewicht, sodass zum Überwinden von Hindernissen wie Stufen oder Kanten weitere Hilfsmittel wie beispielsweise Rampen erforderlich sind.
Was ist bei E-Rollstühlen zu beachten?
Elektrorollstühle mit einer Höchstgeschwindigkeit von 6 km/h fallen unter die private Haftpflichtversicherung. Bei einer Geschwindigkeit über 6 km/h werden eine Betriebserlaubnis sowie eine separate Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung benötigt. Ein Führerschein ist bis zu einer Geschwindigkeit von 15 km/h nicht erforderlich. Elektrorollstühle und -mobile sind Kraftfahrzeuge im Sinne der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO). Folglich muss jeder Elektrorollstuhl, wenn er im öffentlichen Verkehr eingesetzt wird, mit Licht ausgestattet sein.
Elektromobile oder Scooter
Elektromobile oder Scooter unterscheiden sich in ihrer Bauart und ihrem Einsatzzweck von Elektrorollstühlen. Sie werden über eine Lenkstange ähnlich wie bei einem Motorrad gesteuert und fahren bis zu 15 km/h. Durch den langen Radstand und den großen Wendekreis eignen sie sich eher für Geradeausfahrten und den Außenbereich.
Rollstühle mit Stehfunktion
Sowohl manuelle als auch elektrische Rollstühle gibt es mit einer integrierten Steh- beziehungsweise Aufrichtfunktion. Der Nutzer wird hier elektrisch oder mittels Gasdruckfeder in eine stehende Position gebracht. Die aufrechte Körperhaltung wirkt sich positiv auf den Kreislauf und Bewegungsapparat aus. Die Stehfunktion erweitert zudem den sogenannten Greifraum, indem höher gelegene Gegenstände wie zum Beispiel Akten erreicht werden können. Dadurch eignen sich Stehrollstühle gut für die Nutzung am Arbeitsplatz.
Zusatzantriebe für Rollstühle
Für manuelle Rollstühle sind Zusatzantriebe (auch Antriebseinheiten genannt) erhältlich. Diese ermöglichen dem Nutzer das Zurücklegen längerer Strecken bei höherer Geschwindigkeit oder unterstützen ihn, wenn die Hand- oder Armkraft nicht ausreicht, um beispielsweise Steigungen zu überwinden. Hierzu zählen ankoppelbare Handbikes/Rollstuhlzuggeräte, nachrüstbare Elektroantriebe, spezielle Antriebsräder, die durch Elektromotoren die Anschubbewegung unterstützen sowie Schiebe- und Bremshilfen für Begleitpersonen.
Wer zahlt Hilfsmittel für den privaten Gebrauch?
Die Kosten für Hilfsmittel im privaten Gebrauch, zu denen auch Rollstühle zählen, werden für gesetzlich Versicherte in der Regel von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommen. Diese Leistung umfasst auch zusätzliche von Rollstuhlnutzenden benötigte Hilfsmittel wie Hebehilfen, Dusch- und Toilettenhilfen oder Inkontinenzhilfsmittel. Reparaturen sind ebenfalls im Leistungsumfang enthalten.
Die GKV ist nur für Leistungen im Rahmen der Akutversorgung und medizinischen Rehabilitation zuständig. Gebrauchsgegenstände des täglichen Bedarfs wie Ess- und Trinkhilfen oder Kleidung fallen meist nicht unter die Leistungspflicht der GKV. Hier könnten die Kosten je nach Einkommenssituation vom Sozialhilfeträger übernommen werden. Das Gleiche gilt für Hilfsmittel für Freizeit und Sport, also für Sport- oder Strandrollstühle.
Wer zahlt für Hilfsmittel und Barrierefreiheit am Arbeitsplatz?
Sind Hilfsmittel für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit erforderlich, können sie von den Reha-Trägern (z. B. Rentenversicherung, Agentur für Arbeit, Unfallversicherung) als Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben beziehungsweise von den Integrations-/Inklusionsämtern als Begleitende Hilfe im Arbeitsleben gefördert werden. Das Gleiche gilt für barrierefreie Umbauten und Einrichtungen in der Arbeitswelt.
Zweitversorgung Rollstuhl
Ist ein zweiter oder weiterer Rollstuhl nur für den Arbeitsplatz oder aus beruflichen Gründen notwendig, können Leistungsträger der LTA die Kosten übernehmen. Einen gesetzlichen Anspruch auf eine Zweitversorgung gibt es nicht. Der Bedarf ist im Einzelfall gut zu begründen.